Reisen nach Madrid, Spanien

Das Nachtleben Madrids ist legendär und die Nächte, vor allem aber die Wochenenden sind hier die längsten der Welt.

„La marcha!“ ist die Parole, ja beinahe Schlachtruf. Vamos! Die Nacht kann beginnen! Viele Madrileños, die am Freitag ins Wochenende abtauchen, tauchen nicht vor Sonntag- Abend wieder auf. An Schlaf ist nicht zu denken! Zwischendurch erholt man sich mit sehr kurzen Siestas vom Vergnügungsstress. In der spanischen Metropole kann man rund um die Uhr trinken, tanzen, essen und feiern. Es gibt Discos, die erst um sechs Uhr morgens öffnen und schließen die ihre Pforten, warten schon längst die nächsten auf die Partylaunigen.

„La marcha“ bedeutet nicht einfach nur in Bewegung, in Fahrt zu sein, sondern steht für die unbändige Lust, die Nacht und das Leben an sich in vollen Zügen zu genießen. Diese Sucht nach Vergnügen wird verständlicher, wenn man bedenkt, dass die Jahrzehnte der Franco-Diktator auch die spanische Hauptstadt lähmte. Jede Art kultureller Äußerung und jedes Vergnügen wurde unterdrückt. Beinahe das gesamte Leben war zum Stillstand gekommen.

Erst nach dem Tod des Diktators 1975 erwachte Madrid aus seinem 40jährigen Dornröschenschlaf und neues Leben begann sich überall zu regen. Die wiedergewonnene Freiheit brachte das Bedürfnis, diese auch auf jede erdenkliche Art auszukosten und der Lebenslust exzessiv Ausdruck zu verleihen.

Diese Aufbruchsstimmung ergriff auch die Kulturschaffenden, die mit der „Movida Madrileña“ die Kunstszene der Hauptstadt bis in die 80iger Jahre nachhaltig beeinflussten. Prominentester Vertreter der „Madrider Bewegung“ ist der international vielfach ausgezeichnete Filmemacher Pedro Almodóvar.

Es ist heute kaum vorstellbar, dass die vibrierende Dreimillionen-Metropole bis weit in die Neuzeit hinein ein unbedeutendes Kaff war. Weit erstaunlicher ist jedoch die Tatsache, dass Madrid überhaupt jemals Hauptstadt wurde.

Die maurische Festung und Siedlung „Majrid“, in der Mitte des 9. Jahrhunderts auf den sandigen Hügeln zu Füßen der Sierra de Guadarrama, dem östlichen Massiv der zentralspanischen Hochebene erbaut, diente lediglich als Außenposten zur Verteidigung Toledos. Die Anlage war weder sonderlich gut befestigt, noch führte eine wichtige Handelsstraße vorbei. Ja nicht einmal das Klima war angenehm. Sengend heiße und trockene Sommer und – für spanische Verhältnisse -eiskalte Winter.

Madrids einziger Vorteil war die zentrale Lage im Herzen der iberischen Halbinsel und des spanischen Königreichs, die alle Hafenstädte annähernd gleich schnell erreichbar machte. Und dieser eine Umstand bewog König Felipe II im Jahr 1561, seine Residenz in Toledo aufzugeben und nach Madrid zu verlegen.

Im Juli, wenn es in der Stadt so unerträglich heiß wird, dass die Temperaturen auch nachts nicht mehr unter 30 Grad sinken, flüchten die Madrilenen an die für sie angenehmeren Küstengebiete. Besucher haben nun die Stadt beinahe für sich allein – eine gewisse Hitzeverträglichkeit vorausgesetzt. Der angenehme Nebeneffekt ist zudem, dass die sonst dicht befahrenen und ständig verstopften Straßen, nun wunderbar verkehrsarm und überschaubar sind.

Zu sehen gibt es hier wahrlich genug. Herrliche Boulevards mit plätschernden Brunnen, die angenehme Kühlung versprechen, gesäumt von prächtigen Palästen, Kathedralen und anderen Prunkbauten. Jetzt locken auch besonders die drei berühmten Kunstmuseen, das Museo de Prado, das Museo Reina Sofia und das Museo Thyssen-Bornemisza, sich anhand bedeutender Gemälde durch die Jahrhunderte führen zu lassen.

Wer das Umland Madrids kennenlernen möchte, sollte unbedingt die altehrwürdige frühere Hauptstadt Toledo besuchen. Die Altstadt ist ein Schmuckkästchen und zählt, mit ihrer Kathedrale Santa Maria, und vielen anderen architektonischen Schätzen sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die etwa 70 Kilometer in südöstlicher Richtung sind mit dem Mietwagen schnell zurückgelegt und man wird nicht bereuen, sie gefahren zu sein.

Ben Wagner